Das Thema Videokonferenzen hat in der aktuellen Corona-Situation massiv an Relevanz gewonnen. Unternehmensmeetings, Konferenzen und Workshops, aber auch soziale Kontakte finden immer häufiger digital statt.
Zoom, Webex, Skype, Teams, GoToMeeting – die Liste von Videokonferenz-Anbietern und –Tools ist lang. Doch wachsende Unsicherheiten zu Datenschutz– und Nutzungsthemen dieser Tools führen dazu, dass auch freie und quelloffene Alternativen immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Aufgrund eines Projekts, bei dem keine klassischen Anbieter wie Zoom, Teams, Skype, etc. erlaubt sind, und zusätzlich kein Budget für kostenpflichtige Alternativen vorhanden ist, haben wir uns tiefer mit dem Thema Open Source Tools, wie BigBlueButton und Jitsi Meet, und der Installation auf eigenen Servern beschäftigt und wollen hier unsere Erfahrungen mit euch teilen.
Warum Open Source für eine Videokonferenz?
Open Source Tools bieten viele Vorteile im Vergleich zu proprietärer Software. Sie sind meist kostenlos und frei verfügbar. Neben den eigenen Serverkosten entstehen keinerlei Gebühren für Lizenzen. Die Kostenkontrolle solcher Projekte ist also wesentlich besser abschätzbar als bei wechselnden Lizenzen.
Meist steht eine große Community hinter den Tools, die Updates pflegt und Fehler behebt. Bugs werden meist sehr zeitnah ausgebessert.
Durch die Möglichkeit, freie Software auf eigener Infrastruktur bereitstellen zu können, entfällt die Abhängigkeit von einem festen Anbieter. Durch den offenen Quellcode gibt es keine versteckten Tracker oder andere datenschutzkritische Funktionen. Die Tools sind also komplett Datenschutz- und DSGVO-konform einsetzbar. Dies ist besonders relevant in öffentlichen Strukturen, in denen meist strengere Vorgaben herrschen. Aber auch für Unternehmen ist das Thema Datenschutz ein sehr wichtiges. Durch freie Tools kann hier eine gute Positionierung in diesem Bereich erfolgen.
Zahlreiche Individualisierungsmöglichkeiten für Videokonferenzen
Ein weiterer Vorteil von freier Software sind die zahlreichen Individualisierungs- und Personalisierungsmöglichkeiten. Durch den offenen Quellcode können alle Module exakt an die CI und das Branding des eigenen Unternehmens angepasst werden. Auch können die Tools für den eigenen Use Cases individualisiert und adaptiert werden, beispielsweise in die Einbindung einer bestehenden (Unternehmens-)Plattform oder eines eigenen Intranets.
Natürlich sind die Bereitstellung, die Anpassung sowie die Wartung selbst gehosteter Software herausfordernder als die Nutzung eines festen Anbieters. Die Verantwortung für die Funktionsfähigkeit liegt in den Händen des eigenen Administrators. Alternativ gibt es Anbieter, die Support für Open Source Tools oder auch das Hosting dafür anbieten.
Für uns überwiegen die Vorteile aber deutlich. Aufgrund der hohen Individualisierbarkeit und Personalisierung sowie der datenschutzkonformen Nutzung sehen wir für öffentlichen Strukturen, aber auch für Unternehmen, eine gute Alternative zu Tools wie Zoom und Teams.
Unsere Erfahrungen mit Jitsi Meet
Jitsi Meet eignet sich für klassische Videokonferenzen und ist eine Alternative zu Tools wie Skype, Teams, oder Zoom.
Die gewohnten Funktionen wie Video- und Audioübertragung, Screen Sharing und Chat sind vorhanden und funktionieren flüssig. Ein Raum wird erstellt, indem diesem ein Name gegeben wird. Der Link (immer https://URL-des-Servers/Raumname) kann einfach geteilt werden und ist für die Teilnehmer leicht merkbar. Der Raum kann mit einem Passwort geschützt werden.
Die Nutzung am Desktop erfolgt im Browser, es gibt Apps für Android und iOS.
Die Installation des Jitsi Meet Servers ist schnell durchgeführt und auch für „fortgeschrittene Laien“ durchführbar.
Wir haben festgestellt, dass Jitsi Meet für kleinere Videokonferenzen bis 10 Teilnehmern auf unseren Servern gut funktioniert. Allerdings ist Jitsi sehr anfällig bei schlechter Internetverbindung einzelner Teilnehmer. Auch muss ein aktueller Browser auf Chromium-Basis (Google Chrom, Edge, etc.) genutzt werden. Firefox oder Internet Explorer funktionieren nur mäßig und haben teilweise negativen Einfluss auf die gesamte Konferenz.
Die Performance kann über diverse Einstellungen (zum Beispiel die Videoqualität oder die Anzahl gleichzeitiger Nutzer) optimiert werden. Für größere Konferenzen oder viele gleichzeitige Konferenzen muss Jitsi Meet skaliert werden. Hier reicht es nicht, die eigene Serverkapazität zu erhöhen. Jitsi arbeitet mit so genannten Videobridges, die man zur Skalierung auf mehrere Server verteilen kann. Freifunk München (https://ffmuc.net) arbeitet hier mit über 20 Videobridges/Servern und kann dadurch, nach eigenen Angaben, Videokonferenzen für bis zu 10.000 Personen anbieten.
Durch die komplizierte und aufwendige Skalierung nutzen wir Jitsi Meet aktuell nicht im produktiven Betrieb, sondern nur zu Testzwecken. Da die Jitsi Community aber die Entwicklung fleißig vorantreibt, schließen wir eine produktive Nutzung nicht aus.
Unsere Erfahrungen mit BigBlueButton
BigBlueButton (BBB) eignet sich besonders für Schulungen, Webinare und Workshops, und ist eine Alternative zu Tools wie Zoom (in der Webinar-Funktion) oder klassischen Webinar-Anbietern.
Funktionen wie Video- und Audioübertragung, Screen Sharing und Chat sind vorhanden und funktionieren flüssig. Hier können eigene Konferenzräume angelegt werden, die dann eine feste URL bekommen. Diese können ebenfalls mit einem Passwort geschützt werden. Durch die Webinar-Funktion können die Rechte zuschauender Teilnehmer, wie die Möglichkeit der Videoteilnahme oder der Einsicht der Teilnehmerliste, beschränkt werden.
Die Nutzung erfolgt ebenfalls im Browser, die funktioniert auch sehr gut mit Smartphones und dem Chrome- bzw. Safari-Browser. Die Installation eines BigBlueButton-Servers ist ebenso schnell durchgeführt und auch wieder für „fortgeschrittene Laien“ durchführbar.
Vorteile und Funktionen von BigBlueButton
- Präsentationen und Office-Dokumente (Word-Dateien, PPT, PDFs) lassen sich direkt in den Konferenzraum laden. Dadurch muss der Moderator nicht den Bildschirm teilen (ist natürlich auch möglich), sondern hat die Präsentation mit allen Slides direkt im zentralen Whiteboard. In der Präsentation können Zeichentools wie Kreise, Stift, Text, etc. genutzt werden. Außerdem fungiert die Maus als Laserpointer, den alle Teilnehmer/Zuschauer sehen. Der Laserpointer ist auch in der Aufzeichnung sichtbar. Schön ist auch der Mehrbenutzer-Modus in der Präsentation, so dass direkt kollaborativ gearbeitet werden kann.
- Umfragen können direkt im Tool eingestellt werden (vordefinierte Ja/Nein, Richtig/Falsch, A/B/C/D Umfragen oder benutzerdefinierte Umfragen). Die Ergebnisse werden auf der Präsentation dargestellt und sind, im Gegensatz zu Zoom, auch in der Aufzeichnung sichtbar.
- Es können externe Videos von Plattformen wie YouTube, Vimeo, etc., eingebunden werden. Schönes Feature: die Videos zieht sich jeder Nutzer direkt von der Videoplattform (und nicht über einen geteilten Bildschirm), so dass dadurch eine flüssige Performance beim Abspielen der Videos besteht.
- Es gibt die Möglichkeit, Breakout Räume einzurichten, dies funktioniert sehr gut und ist ähnlich wie bei Zoom.
- Die Aufzeichnung wird direkt im Tool hinterlegt, dabei wird eine feste URL zur Aufzeichnung erzeugt. Da die Präsentation direkt in BigBlueButton hinterlegt ist, können die Zuschauer in der Aufzeichnung direkt zu den einzelnen Slides schalten.
In unseren beiden letzten Happy Hour Talks haben wir den Schritt gewagt und BigBlueButton im Self-Hosting für unsere Videokonferenz genutzt. Mit der Performance sind wir sehr zufrieden. Alle Videos liefen flüssig und in guter Bildqualität, die Aufzeichnung funktionierte einwandfrei.
Wir haben beim zweiten Talk einige Bereiche optimiert (unter anderem Headsets verwendet, da die Soundqualität ohne Headset nicht so gut kompensiert wird wie bei Zoom) und die Performance nochmal steigern können. Serverseitige Optimierung führen wir auf Basis der Erfahrungswerte weiter durch.
Natürlich braucht es für größere Konferenzen oder Webinare eine deutlich höhere Serverkapazität, aber das lässt sich gut skalieren.
Wir sind sehr angetan von BigBlueButton, einige Funktionen, zum Beispiel das Whiteboard und die direkte Integration von Präsentationen, gefallen uns sogar besser als bei Zoom.
Im Bildungsbereich, Schulen und Universitäten, ist BigBlueButton aktuell das Tool der Wahl und wird von vielen (Hoch-)Schulen auch für große Nutzerzahlen skaliert. Die Stadt Ulm ist hierbei Vorreiter und hat offene Bildungsstrukturen für den Schulbetrieb aufgebaut.
BigBlueButton und Jitsi – Unser Videokonferenz Fazit
Es zeigt sich: auch mit freien Tools lassen sich viele Use Cases gut abbilden. Die Individidualisierungsmöglichkeiten sind enorm und die zusätzlichen Funktionen für Webinare & Workshops sehr gut einsetzbar. Und dies völlig datenschutzkonform.
Gerade BigBlueButton hat uns mit der Vielzahl der Funktionen, der stabilen Performance und der großen Individualisierungsmöglichkeiten, überzeugt. Wir werden weiter ausgiebig testen und dieses Tool auch für den produktiven Bereich, wie den Happy Hour Talks, weiter nutzen und ausbauen.
Ihr habt Fragen rund um das Thema virtuelle Meetings und freie Tools wie BigBlueButton und Jitsi Meet? Kontaktiert uns gerne!
Hilfreiche Links zu BigBlueButton und Jitsi Meet
Installation Jitsi Meet:
Skalierung Jitsi Meet Server:
- https://www.netways.de/blog/2020/03/27/jitsi-best-practice-und-skalierung/
- https://www.youtube.com/watch?v=v_ocoV7d7KI
- https://ffmuc.net/wiki/doku.php?id=knb:meet-server
Installation BigBlueButton (BBB):